CDU und „Gendersprache“

Die Heidenroder CDU stellte zur Gemeindevertretung am 8. Oktober 2021 den Antrag, dass die Gemeindeverwaltung in ihren Schreiben entweder das generische Maskulinum oder die männliche und weibliche Form nutzen soll.

Sie unterlag, die AfD stimmte mit ihr.

Spannende Links zu dem Thema

Zum Doppelpunkt: ->HIER

Nonbinär: -> HIER

etwas Provokation: -> HIER

Entgendern?: -> HIER

Rede von Thomas Giebel zum Thema

Bei meiner Geburt bin ich, was ich bin. Weiblich oder männlich oder nicht einem dieser Geschlechtsbeschreibungen zuzuordnen. Homo- oder heterosexuell oder auch hier keiner dieser eindeutigen Orientierungen zuzuordnen. Hell oder dunkel, mit braunen, grünen oder blauen Augen und überhaupt einzigartig. Das alles – Gott sei dank – ohne eigene Schuld. Aber auch ohne irgendein eigenes Verdienst oder Zutun.

Mit dem erwachenden und sich entwickelten Bewusstsein erwerbe ich Möglichkeiten, meine Situation zu beeinflussen. Es entsteht Verantwortung. Entdecke ich dann, dass ich, etwa bezüglich meines Geschlechtes oder meiner sexuellen Orien-tierung von der „Mehrheit“ abweiche, wäre es für mich ein wahrer Segen, würde ich in einer offenen, toleranten Gesellschaft ankommen, in der Vielfalt nicht nur akzeptiert, sondern als Bereicherung gewertet wird.

Ich wäre dann z.B. nicht der schwule Jugendliche, in dessen Umfeld schwul ein böses Schimpfwort ist. Meine Eltern würden mich freudig akzeptieren und sich nicht für mich schämen oder mich gar verachten. Ich wäre auch nicht das wenig erwünschte Mädchen, wo sich der Vater doch so sehr einen Stammhalter gewünscht hatte. Mein Geschlecht würde nicht als Säugling ohne meinen Willen operativ angepasst, weil es nicht der Norm entspricht und ich könnte mit Unterstützung meiner Freunde und Familie herausfinden, wer ich bin, wie ich glücklich werde.

Alles das ist nicht neu und kaum jemand würde dem widersprechen.

Aktueller ist, dass sich jetzt die Betroffenen und die Gesellschaft Gedanken darüber machen, wie der einzelne Mensch in seiner Besonderheit angesprochen werden will und soll. Und da holpert es im Moment; es gibt keine einheitliche Regel. Verschiedenes wird ausprobiert. So arbeite ich gerne bei Schriftsachen mit dem Binnen I, meine Frau z.B. verwendet lieber den Gender-Stern. Ich bin noch sehr unsicher und letztendlich kann ich die innere Welt eines Anderen nur in kleinen Ansätzen verstehen. Beim Sprechen verhält es sich ähnlich – Schrift und Sprache passen sich an die neue Situation (die ja so neu nicht ist) immer mehr an, so wie sich eine lebendige Sprache immer weiter verändert.

Die CDU Fraktion Heidenrod möchte diese Veränderungen nicht. Sie möchte lieber „stattdessen entweder das generische Maskulinum oder die Kombination aus femininer und maskuliner Form des entsprechenden Substantivs“ im Schriftverkehr der Gemeindeverwaltung und gemeindlichen Einrichtungen vorschreiben. Kurz habe ich erwogen, in einem Änderungsantrag vorzuschlagen, allgemein die weibliche Form zu verwenden; Männer wären selbstverständlich dabei mitgemeint. Dafür würden drei Dinge sprechen: 1. Frauen bilden die Mehrheit in der Gesellschaft. 2. Nach langer Zeit, in der sich Frauen bei der männlichen Form mitgemeint fühlen durften, wäre das ein historischer Ausgleich. 3. Frauen sind genetisch kompletter – siehe XX- und XY-Chromosom.

Einen solchen Antrag ernsthaft zu begründen, würde mir allerdings schwerfallen.

Es bringt auch nicht viel, sich weiter mit dem Antrag der CDU zu befassen, weil er einmal kein tatsächliches Problem der Gemeindeverwaltung und gemeindlicher Einrichtungen anspricht oder gar lösen kann. Und zum anderen ist er in seiner Richtung reaktionär und bringt selbst die CDU keinen Millimeter in der Geschlechterfrage weiter.

Ich verfolge lieber, wie sich die Gesellschaft in dieser Frage weiterentwickelt.

Thomas Giebel

(Stand 6. Oktober 2021)

Das könnte dich auch interessieren …